Dienstag, 24. Mai 2011,

20 Kilometer
von Dampierre-lès-Conflans
nach Baulay
(320 Einwohner)

Etappe #2

Inflationen dieser Sorte haben wir gern: Erneut ein herrlicher Sommermorgen im Mai.

Noch vor dem Frühstück für die Menschen gibt es das für DEVISE, die für ihr GRANULÉ den tollen Weideschuppen nebst Badewannen-Tränke, gescheckter Comtois-Geschlechtsgenossin und Schaf des Hauses ebenso freudig wie treulos im Stich lässt.

In Windeseile zermalmt sie diese gepressten grau-braunen Klumpen zusammen mit Unmengen von Speichel. Irgendeine Zutat scheint eine magische Anziehungskraft zu haben.

Als Pferde- Kenner- Novizen machen wir außerdem die überraschende Feststellung, dass der Hufkratzer im Kulturbeutel des Roulotte offenbar ein überflüssiges Requisit ist. Das Geben der Hufe ist für DEVISE zwar eine bekannte Aktion, die Aufforderung dazu wird aber dennoch – wie uns scheint – mit einer Art majestätischer Verwunderung quittiert.

Wohl durch das Waten im Schlamm des Tümpels im Tal der Gemeindeweide(?) wurden die Hufsohlen von DEVISE derart „keramisiert“, dass sie offenbar lotusblattartig alle anderen mit ihnen in Kontakt kommenden Materialien abstoßen, zu mindestens so lange es trocken ist.

Eigentlich eine gute Nachricht wg. ihres Gesundheitsstands, würden sich bis zum Ende unserer Woche mit ihr, nicht doch Indizien für eine stark juckende Erkrankung ihrer Füße, speziell im Rist und am Kronenrand gezeigt haben.

Wir genießen ein exzellentes Frühstück im großen Speise- und Feierraum der Thévenots, mit Madame Claudines diversen leckeren Marmeladen, mit freiem Eintritt für den baumbeschatteten Garten von der Morgen-Sonnen-Seite über den Vogesen.

Keine zehn Meter weiter im Hof des Hauses hält ein ambulanter Händler mit seinem Verkaufswagen. Von ihm bekommen wir genau die beiden Käsesorten, Comté und Munster, die uns schon gestern Abend so gut geschmeckt haben und ein paar Kilo Möhren als Belohnung für DEVISE.

Die Bemerkung des Händlers: „Die essen wir selber!“, soll uns wohl im Klartext sagen: „Was für eine Verschwendung für ein Arbeitstier!“. Was DEVISE über Karotten „denkt“, dazu später ...

Nachdem Pierre, der wohl selber Kutschfahrer (gewesen?) ist, unser Einspannen fachkundig kontrolliert und begutachtet hat, rollen wir in eine ruhige Morgenlandschaft, am Bois des Ardennes entlang und durch ihn hindurch.

DEVISE zeigt ihre Beherrschung der Topographie mit ganz von ihr selbst gestartetem Beschleunigen vor größeren und längeren Steigungen und totalem Herunterschalten = Aussetzen der Zugleistung unmittelbar nach Erreichen des höchsten Punkts einer Geländekuppe.

Ein entgegenkommendes Traktor-Ungetüm, das in den Graben ausweichen muss, obwohl wir schon so weit rechts wie nur möglich fahren, macht keinen besonderen Eindruck auf sie. Eine Fachfrau für Zugfragen eben!

Elke, die Fachfrau für den Streckenverlauf, verweigert ihre Genehmigung zum Picknick in einer kleinen Linden-Allee parallel neben der Straße in Cubry-lès-Faverney. Etwas stimmt ihrer Meinung nach nicht mit der schriftlichen Tourbeschreibung überein .

Also lautet ihre Order: Kehrtwendung und weiter, bis ... am Ende des Dorfes die geforderte zweite Brücke ... auch bis zum Horizont nicht in Sicht ist ... Erneute Kehrtwendung, die dritte also, zurück zu den Linden. Eine Doppelreihe alter Bäume bei einem (Wasch?)Haus, das an die Straßenbrücke über den Bach gebaut wurde.

Die glücklichen Fahrkünste des Kutschers lenken das Gespann in üppigen Millimeterabständen an kapitalen Lindenstämmen vorbei und lassen das Herz der Copilotin und letztlich Verantwortlichen für diese Fahr-Kapriolen in römisch- katholisch angemessen tiefere Regionen wandern.
Äver et hät ja noch immer jotjejange!

Endlich wieder Granulé, verdienter Schatten, Wasser und leckeres Gras für DEVISE, nachdem sie abgespannt, von ihrem Geschirr befreit und am Wagen angebunden ist.

Und – die am Morgen erstandenen, als leckere Belohnung gedachten Möhren fabrizieren drei ratlos-verdutzte Gesichter: Die der beiden Menschen aus dem Freizeit- Pferde- Land und das von Arbeitspferd DEVISE, die offenbar keine Möhren als Bestandteil ihrer Nahrung kennt und auf ihren Genuss auch nach einem vorsichtigen Test ultimativ verzichtet.

Aber immerhin funktionieren als Belohnung noch Äpfel, die sie mit allen Zeichen des Vergnügens schmatzend verputzt.

Vor sich hin dösend wird DEVISE zum Glück erst gegen Ende der eineinhalbstündigen Rast von den Fehlzündungen eines Gemeinde-Rasenmähers in mäßige Panik versetzt.

Auf der ganzen Rund-Strecke weisen „Roulez-nature“-Schilder besonders vor Abzweigungen den richtigen Weg. Aber, keine Angst, mit DEVISE vor dem Wagen kommt man richtig an, auch wenn man eins der Schilder mal übersehen sollte. Dennoch: Siehe Freitag.

Wie am Tag zuvor erreichen wir unser Etappenziel nach einer Fahrt in schöner, welliger Landschaft, am Ende einer leichten Steigung, gefolgt von einer scharfen Rechtskurve. Und ebenfalls wie tags zuvor geht DEVISE unvermittelt – immerhin weiß sie, im Gegensatz zum Kutscher dass es die letzten hundert Meter der heutigen Teilstrecke sind – heftig äpfelnd in gestreckten Trab, um im letzten Moment der Weisung einer männlichen Gestalt – Jan-Pierre Jardels – zu folgen und mit Schwung auf eine wunderschön gelegene Camping-Wiese abzubiegen.

Ausgespannt, ausgeschirrt, erhält DEVISE ihr Granulé und genießt eine Schafweide, die bergauf an einen mit Schilf und Lilien bewachsenen Teich grenzt.

Wir stibitzen und genießen Kirschen auf dem Camping-Platz von Colette und Jean-Pierre Jardel. Die Jardels sind wie die Thévenots Bauern im Ruhestand. Sie leben ebenfalls in einem schönen, großen, hellen Haus im Stil der Region, mit flachem, hangseitig tief über ursprüngliche Ställe herabgezogenem Satteldach.

Der Weg von der Straße zum Haus führt durch einen weitläufigen, gepflegten Garten, der in der goldenen Abendsonne extra für uns zu glühen scheint.

Das leckere Menu aus Colettes Küche wird im großzügigen Wohnzimmer, dem ehemaligen Kuhstall des Bauernhauses serviert:

- Aperitif *)
- Salade: Riz. thon. tomates Betteraves rouges
- Pintade (Perlhuhn) au Ciche di champignons
- Haricot Pommes de Terre
- Fromage
- Tarte Rhubarbe. Fraise
- Café

*) Colettes Rezept für einen überraschend süffigen und erfrischend aromatisch schmeckenden Kirsch-Baum-Laubblätter-Wein:

45 feuilles de cerisier (Kirschbaum-Laubblätter)
40 morceaux de Auere?  (200 g env.)
75 cl de bon Vin Rosé
25 cl Alcool à 45 %
Laisser macirer 3 semaines au plus

Merci Colette et Jean-Pierre et bonne nuit.

Noch ein Besuch bei DEVISE auf ihrer Schafweide, sie genießt offensichtlich den direkten Zugang zu ihrem wild bewachsenen Teich und scheint rundum zufrieden.

In unserem Planen-Wagen-Bett orientieren wir unsere Liege-Richtung ab heute parallel zur Längsachse des Wagens. Da wir so die Füße unter die Kutschbank schieben können, habe ich viel mehr Freiraum für die Schlafbewegungen meines Kopfes.

Der übliche Sanitär-Container ist an dieser Station zwar einer von der ganz spartanisch engen Sorte. Wenden im Toiletten-Kompartiment ist nicht drin. Dafür präsentiert es sich aber mit einem Keramik-Sitzmöbel, was uns Mitteleuropäern dankenswerter Weise das Balancieren und „Zielen“ in der Ski-Abfahrts-Hocke erspart.

Nicht nur La Trine sagt: Grand merci!


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