Samstag, 28. Mai 2011,

13 Kilometer
von La-Scie-Goguette
nach Fontenois-la-Ville

Etappe # 6

Die Ruhe der lokalen Szenerie, das entsprechend frühe Zubettgehen, lässt uns ohne Murren, bestens gelaunt und erholt, schon um halb acht in einen wolkenlosen Morgenhimmel blinzeln.

Da heute die kürzeste Etappe der Tour ansteht, haben wir viel Zeit und nehmen sie uns auch. Nach dem ausgiebigen Frühstück von Madame DEVISE, bei dem die nicht nur die übliche Ration der Station sondern auch den Rest der Granulé-Reserven Elkes mit gehörigem Heißhunger restlos verschlungen und eine auffällig große Menge Wasser getrunken hat (ahnte sie schon etwas?), genießen auch wir unser für neun Uhr bestelltes Frühstück in der fürstlichen Atmosphäre von La-Scie-Goguette.

Nach einem „Grand Mercie“ an Gaël Boban sind wir wieder ganz alleine auf dem Gelände. Die letzten Möhren wandern in die Mäuler der Esel und des Ponys, Madame Lefebvre la Chèvre, die doch tatsächlich ungefressen die Nacht an ihrem Pflock überstanden hat, erhält noch eine riesige Portion Eichenzweige mit saftigen Blättern.

DEVISE wird angeschirrt und für ihren letzten Arbeitstag mit uns angespannt. Um elf Uhr zwanzig sind wir schließlich wieder unterwegs. Die Route führt ein ganzes Stück des Weges zurück, den wir am  Vortag schon in Gegenrichtung gefahren sind – genau bis an den Punkt, an dem DEVISE partout nicht abbiegen wollte.

Langsam dämmert uns: „Unsere gute DEVISE hat sich gestern nicht eigentlich geirrt, sie hat sich nur vertan, sie war im Kopf nach fünfzehn harten Kilometern schon einen Tag weiter, auf dem Weg zurück zur Heimatweide!“ Wer könnte ihr das verübeln?!

Den ersten vorgeschlagenen Rastplatz ignorieren wir geflissentlich alle miteinander, genau so wie auf der Hintour, weil wir erst eine knappe Stunde unterwegs sind und weil DEVISE ohnehin im Wald nicht anhalten würde. Also geht es weiter nach Fontenoy le Chateau, stetig bergab, mit mehr oder weniger Bremseinsatz, bis wir im Tal den Canal de l’Est überqueren. Auf der anderen Seite des Canals geht es dann bis etwa auf die Höhe von Montmotier wieder zurück, nun aber entsprechend stetig bergauf.

Arme DEVISE, kaum einmal flache Abschnitte und ständig umschwirrt von blutrünstigen Chitin-Viechern, stampft – vielleicht sollte man besser sagen, stürmt – sie unbeirrt vorwärts.

Die kleine Wiese, die wohl der heutige Haupt-Picknick-Platz sein sollte, liegt direkt an einer starken Steigung, neben einem Haus mit freundlichen Bewohnern, einem heftig herumtollenden Hund, ... nur ein kurzes Zögern ... und DEVISE stampft weiter, saugt sich förmlich an der Straße fest und wuchtet sich, den Wagen und uns den Berg hoch.

Aber irgendwann sind diese kilometerlangen, starken Steigungen denn doch einmal zu Ende und es geht endlich wieder nahezu eben weiter. Unsere Augen auf dem Bock huschen beständig umher, wollen wir DEVISE doch ihre wahrlich verdiente Rast gönnen. Aber die Grasstreifen rechts und links des Weges sind alle zu schmal und dann geht es auch schon wieder in einen zwar lichten Wald mit breitem Weg, aber trotzdem in einen Wald, den Pferd möglichst schnell hinter sich lassen muss.

Endlich, der Wald ist vorbei, rechter Hand ein kleiner Fleck, den wir für eine kurze Rast nutzen wollen. Wir dirigieren die widerstrebende DEVISE in den Schatten der Bäume. Die aber lässt sich nicht beruhigen, ruckt immer wieder an, will weiter. Schließlich geben wir unsere gut gemeinten Bemühungen auf und folgen DEVISE, auch wenn wir so in rekordverdächtiger Zeit Fontenois-la-Ville erreichen werden.

Plötzlich schauen wir uns erschrocken an, das gewohnte Klappern der Hufe ist verschwunden. Hat DEVISE ihre Eisen verloren?! Aber nein, sie sind noch da. Der Straßenbelag hat sich bei dieser Hitze so verflüssigt, dass er nun schalldämpfend an den Hufeisen klebt.

Aber auch dieser energiefressende Effekt tut dem Eifer des Tieres, schnellstmöglich nach Hause zu kommen, keinen Abbruch und schon bald sind die ersten Häuser von Fontenois-la-Ville erreicht.

Noch eine Kurve und DEVISE schlägt ihren gewohnten „Letzte-Meter-Trab“ an, rauscht in die Durchfahrt der Station zum Roulotte-Parkplatz.

Unter Anleitung und mit Hilfe von Jacky und Francoise findet die Roulotte ihren Stellplatz. DEVISE wird abgespannt, zum Anbindeplatz vor die Station geleitet, ausgeschirrt und erhält ihre mehr als verdiente Portion Wasser und ... Granulé.

Wie für KARLINE eine Woche zuvor, ist auch ihr Dienst noch nicht ganz beendet. Durch ihren Par-Force-Marsch muss sie nun noch mehr als zwei Stunden warten, bis die nächsten Roulottiers um 18 Uhr ihre Einweisung für das Anschirren erhalten. Aber hier, im Schatten ist es natürlich weit besser, als in offener Landschaft bei lebendigem Leib von Pferdebremsen & Co gefressen zu werden.

Durch die frühe Rückkehr bekommen wir die schöne, seltene Gelegenheit, mit Jacky die Comtois-Mama und ihr 11 Tage altes Fohlen auf der Gemeindeweide zu besuchen.

Nicht zum ersten Mal wurde offenbar eine Stute gekauft, ohne dass eine/r der Beteiligten von ihrer Schwangerschaft wusste. Neben der Freude über den gesunden Comtois-Nachwuchs ist das aber wirtschaftlich auch etwas „ärgerlich“, weil die Mama in einem Jahr „Mutterschaftsurlaub“ kein Geld vor einer Roulotte verdienen kann.

Nachdem sie schließlich ihre Model-Tätigkeit für die Freizeit-Kutscher der nächsten Woche absolviert hat,

dürfen wir DEVISE, Elke am Fotoapparat, ich am Führstrick, gemeinsam mit Jacky zurück auf die Weide begleiten.

Unser GANZ GROSSES DANKESCHÖN gilt dieser beeindruckenden Comtois-Dame -

"GRAND MERCI BRAVE DEVISE!"

nicht ohne eine kleine Träne - immerhin ist die zauberhafte Woche mit der grandiosen Kaltblut-Persönlichkeit nun leider schon wieder Vergangenheit.

Zur Feier des glücklichen Abschlusses dieses unseres ersten Kutschen- Zigeunerwagen- Abenteuers gönnen wir uns heute im "Chez Colette" anstelle des sonst üblichen Table d'Hotes ein Menü à la Carte und entschlummern dann noch einmal im Rote-Planen-Wagen-Bett.

Die Stunden-Glocken der Marke "Trompeten von Jericho" im immer noch sehr nahe gelegenen Kirchturm von Fontenois-la-Ville bekommen auch diesmal keinen Stich - so viel ich weiß!



zu ekdamerow