Ein jeiler Traum: Das Landgestüt Dillenburg bleibt bestehen!

Herzlich rechtschaffener Sachverstand schlägt gemeine faktische Realität

Heisterberg, 13. August 2017
VON KARLHEINZ DAMEROW


Esoterisch juristische Absurditäten,
Profitgeilheit und politischer Opportunismus, Anno 2017

Landgestüt Dillenburg wird geschlossen

„Nach Jahrzehnte langem Ringen“ verkündete das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, „zufällig“ in der ersten Woche der Sommerferien 2017, die Schließung des Landgestüts Dillenburg. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt. Viele normale Bürger, Menschen an Lahn und Dill, viele Pferdefreunde, nicht nur in diesem Bundesland, dachten aber ganz spontan: Was für ein überfallartiger, skandalöser und brutaler Akt der Grünen Ministerin aus der Nachbarstadt Herborn – der gnadenlose Schlussstrich unter eine Institution, einen über Jahrhunderte gewachsenen Teil der Identität der Stadt Dillenburg und ihres Umlandes.

Peinliche Begründung

Die Begründung der sachlichen Notwendigkeit und der Dringlichkeit dieses hoheitlichen Akts der Landesregierung ist ein Paradestück ministerieller Peinlichkeit. Die Schließung des Landgestüts just zu diesem Zeitpunkt sei geboten, um „drohenden“ Klagen eines Tierrechts-Vereins wegen Tierquälerei zuvor zu kommen.

Gemeint ist Peta, eine US-Firma mit weltweiten Filialen, die sich über kalkulierte esoterische Romantisierungen und Vermenschlichungen von Tieren zu absurden Aussagen versteigt, wie: „Ratten haben dieselben Rechte wie Menschen“. Eine Firma sektierender Spinner, die haltungslose Juristen und Videobastler damit beschäftigen, maximal provozierende Medienkampagnen, wie: „Fleischessen ist Holocaust auf dem Teller“, oder hirnrissige Klagen, wie: „Ein Affe hat das Copyright an seinem Bild; Die Tantiemen gehen an Peta“, möglichst Aufsehen erregend zu inszenieren und sich selbst durch global steuerfrei generierte Spendengelder zu bezahlen. Fundtiere, die Peta in den USA aufnimmt, die nicht umgehend vermittelbar sind, lässt diese Firma nach eigenen Angaben töten, weil das Geld für Unterkunft und Verpflegung dieser Tiere für die Finanzierrung der Medienkampagnen gebraucht werde.

Im Kern lebt diese Firma davon, dass die meisten gutwilligen modernen Menschen nichts mehr aus eigener Erfahrung z.B. über Pferde wissen, seit diese vor einem halben Jahrhundert durch den Traktor ersetzt wurden. Menschen, die ihr „modernes“ Pferdewissen beim Konsum von Hollywood-Western, TV-Tierfilmen, aus der versammelten Pferde"litratur" oder YouTube erworben haben, wo Pferde pausenlos galoppieren, ohne tot umzufallen.

Was bleibt einem modernen = medienabhängigen Menschen übrig, als pharisäisch kalkulierenden, esoterisch sektierenden Tierrechtlern - und der Hessischen Ministerin auf den Leim zu gehen?! Beide bauen schließlich auf das selbe populistische, milliardenfach klickfähige, "moderne Pferdewissen". Die Firma Peta is very amused über einen billigen "Sieg", und eine Ministerin lässt ihr Landgestüt schließen, „weil die Pferde in Dillenburg seit Jahrzehnten keinen Weidezugang haben“. Und weil doch jeder Mann und jede Frau "weiß", dass Pferde ohne täglichen Weidegang „gequält" werden.

Übrigens: Es gab einmal Weiden am Dillenburger Gestüt! Richtung Niederscheld. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurden sie verkauft. Von einer Landesregierung. Als Bauland. Déjà vue?

Nicht zuletzt: Die Lage der Jahrhunderte alten Gestütsgebäude, einst am Stadtrand, nun mitten in der Stadt, verspricht Immobilien-Investoren und Spekulanten reichlich Profit. Die Allianz eines längst weder aktuellen, noch modernen Grün- ideologischen Feindbildes eines „reichen Pferdehalters“, das sich besonders sinnfällig im Bänker-Speckgürtel stinkend teurer Pferdepensionen um Frankfurt und Wiesbaden zu bestätigen scheint, mit Gelb-wirtschaftsliberalen Heils- und Wunschvorstellungen flächendeckender Privatisierung, natürlich auch des „Pferdegeschäfts“, feiern in dieser politisch opportunen Schließungsverfügung für das Landgestüt Dillenburg ganz besonders unappetitliche Urständ.

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Nur ein jeiler Traum?
Rechtschaffener Sachverstand schlägt gemeine faktisch-politisch-juristische Realität?

So bewegen sich Pferde auf der Weide

Wer sich und seinem „modernen Pferdewissen“ das Vergnügen gönnt, mehr als nur ein paar Stunden lang zu beobachten, wie sich diese Tiere auf der Weide tatsächlich verhalten, der darf sich auf Erstaunliches gefasst machen: Pferde auf der Weide bewegen sich zu mehr als 90 Prozent ihrer Wachzeit weder im Schritt, noch im Trab und schon gar nicht im Galopp. Also in keiner der drei Grundgangarten.

Pferde auf der Weide bewegen sich fast ausschließlich im „Fressgang“, von einer Schrittstellung, über eine Pause, zur nächsten Schrittstellung. Die Pause ist gefüllt mit dem Abrupfen von Kräutern und Gräsern, Kauen und Schlucken. Ihre Dauer ist abhängig von der Qualität und der Dichte des Nahrungsangebots auf der Weide.

Wer weidende Pferde in den letzten zehn Prozent ihres Bewegungsverhaltens, also in allen drei Grundgangarten beobachten will, muss sehr viel Geduld mitbringen. Am häufigsten zu beobachten ist der Schritt. Ein Pferd wechselt darin von einer abgegrasten zur nächsten Fressstelle, oder bewegt sich hin zur oder zurück von der Tränke. Bei etwas stärkerem Durst kann der Weg zum Wasser oder zum leckerlieträchtigen Besitzer auch im Trab zurückgelegt werden. Ein Pferd im Galopp auf der Weide zu beobachten, ist unter normalen Umständen nur extrem selten möglich. Wenn, dann wurde es kurz zuvor durch ein „Pferde fressendes“ Ereignis – einen Schuss, einen „Bären“, „Puma“ oder einen dafür zu haltenden Wanderer – alarmiert und so zum aktivierten, dem „berühmten“ Fluchttier, dem vierhundert Meter „durchgehenden Gaul“.

Fazit: Rechtschaffener Sachverstand entlarvt ein angeblich lebensnotwendiges Bewegungsbedürfnis, das nur durch täglichen Weidegang zu befriedigen sei, als Bestandteil einer Hollywood-Pferde-Welt. In den Boxen des Dillenburger Gestüts, in denen die Pferde nach allen neuesten Erkenntnissen der Pferdeernährung bestens versorgt, ihre Äpfel, Kot und Urin entsorgt, ihre Einstreu gewartet wird, und in denen selbst die „Dicksten“ sich im Schritt bewegen können, sind die meisten dieser Bedingungen eines artgerechten Weideaufenthalts gegeben. Ergänzt werden sie hier durch ein wohltemperiertes Gebäude-Klima in Pferde gerechter Bauweise mit luxuriösen Deckenhöhen, Wind-, Regen-, Sonnenschutz und soziale Kontakte mit dem zweibeinigen Wartungs-Personal und den vierbeinigen Artgenossen in der Nachbarbox. Einziges Manko der Einzelbox, „soziales“ Fellknabbern mit einem Kumpel ist darin nicht möglich.

Wer unter diesen Bedingungen von Tierquälerei spricht, der darf sich eine geballte Ladung Kompetenz im Umgang mit alternativen Realitäten bescheinigen lassen.

Pferde sind auch Lebensmittel liefernde Tiere

Jeder Pferdebesitzer muss sich entscheiden, ob sein Tier „zur Schlachtung bestimmt“ ist oder nicht. Wenn im Arzneimittel-Anhang des Equidenpasses, dem „Pferde-Personalausweis“, nichts eingetragen ist, gilt das Pferd als Schlachtpferd. Dann darf der Tierarzt nur Medikamente anwenden, die für Lebensmittel liefernde Tiere zugelassen sind. Jede Anwendung muss dort dokumentiert werden. Der Tierhalter muss ein Bestandsbuch führen. Der Besitzer eines solchen, dann Schlachtpferdes, entscheidet am Ende allein über dessen Todeszeitpunkt und auch darüber, ob es geschlachtet oder eingeschläfert wird.

Die Widmung als Schlachtpferd kann jederzeit in „nicht zur Schlachtung bestimmt“ geändert werden. Umgekehrt nicht?! Bei einem Nicht-Schlachtpferd gibt es keine Begrenzung der anwendbaren Arzneien. Eine Nottötung kann dann nur bei Vorliegen eines "vernünftigen Grundes" und mit tierärztlicher Zustimmung geschehen. Das tote Tier gilt als Sondermüll und muss als solcher "entsorgt" werden...

Tierschutz für Schweine und Pferde

Pferdefleisch gehört zu den ältesten Nahrungsmitteln der Menschheit. Unterschiedliche kulinarische Traditionen in verschiedenen Ländern begründen eine jeweils unterschiedliche Nachfrage. In Deutschland wird relativ wenig Pferdefleisch gegessen.

Niemand wird bei einem Qualitätshengst und Spitzenvererber im Landgestüt an seine mögliche Verwendung als Sauerbraten denken. Die Widmung aller Dillenburger Pferde – nun bitte nicht in Ohnmacht fallen – als Schlachtpferde, ermöglichte aber die Anwendung tierrechtlicher Vorgaben, wie sie für die Haltung von Arten gelten, die stärker als Lebensmittellieferanten nachgefragt werden, wie z.B. Schweine und Kühe.

So wurde bisher kein Schlachtschwein jemals gefragt, ob es den Quadratmeter Stallfläche, der ihm per Gesetz zusteht, für artgerecht hält. Oder, ob es die Möglichkeit vermisst, wie ein "wild" lebender Verwandter, im angrenzenden Forst, im Boden zu wühlen und mit der Rotte zu laufen.

Kein Pferdeliebhaber wird jemals daran denken, eine 1zu1-Übertragung von Haltungsbedingungen in der Fleisch produzierenden Industrie auf die Pferdehaltung auch nur zu erwägen. Nach einer möglichst vorurteilsfrei vergleichenden Analyse, könnten aber deutlich überzogene Maßstäbe an die Mindestanforderungen artgerechter Pferdehaltung auf eine rechtschaffen sachverständige Ebene zurückgeführt werden.

Täglicher Weidegang gehört, als durchaus wünschbarer Luxus, auf die Liste optimaler Haltungsbedingungen für Pferde. Das Fehlen dieser Möglichkeit begründet aber für sich noch lange nicht den Tatbestand von Tierquälerei. Einem Kind das sichere Schwimmen beizubringen, ist Bestandteil „artgerechter Menschenhaltung“. Eine fehlende Wasserrutsche ist ganz sicher keine „Menschenquälerei“.

Der Satz: „Das Sozial- und Fluchttier Pferd braucht täglich stundenlangen Kontakt mit Artgenossen und die Gelegenheit, diverse Bewegungsarten auf einer Weide zu wählen und auszuüben“, beschreibt Optimalbedingungen der Pferdehaltung. Wer sie zu tierschutzrechtlich verbindlichen Ausschluss-Kriterien macht, der tötet Pferde. Pferde, die keine Aufgabe mehr haben, die (in einem Landgestüt) nicht mehr gebraucht werden (dürfen), gehen zum Metzger und/oder werden nicht mehr geboren.

Stiftung Öffentlichen Rechts?!

Das Damoklesschwert der Schließung aus Kostengründen schwebt bundesweit über vielen Landgestüten. Besonders in den Ländern, in denen Wirtschaftsliberale Kräfte mit ihrem inbrünstigen Gelben Glaubensbekenntnis für ein flächendeckendes privatwirtschaftliches Profitstreben in allen Lebensbereichen (zu viel) politischen Einfluss haben.

Wo es aber um die Bewahrung von Traditionen wie die Pferdezucht, die Erhaltung und evtl. Rückzüchtung regionaler Rassen, um historische, gesellschaftspolitische bis emotionale, ganz gewiss nicht ausschließlich unternehmerische Aspekte geht, da kann, da darf Profit kein Kriterium sein. Eine Gesellschaft, in der Schulen, Museen, Kindergärten, Schwimmbäder - und Landgestüte - sich rechnen müssen, ja sogar Prifit abwerfen sollen, ist pervers. Siehe die zunehmende Zahl von Spaßbädern und von Ertrinkungstoten.

Einrichtungen, die dem Betrieb und der Erhaltung kultureller, im breitesten Sinne lebenserhaltender gesellschaftlicher Aufgaben dienen, kosten Geld. Ihr immaterieller Mehrwert ist aber weitaus größer als es betriebswirtschaftliche Zahlen ausdrücken. Wer darauf besteht, dass sie sich auch monetär "rechnen", der nimmt in Kauf, oder will gar, dass sie nur noch für wenige Wohlhabende zugänglich sind. Der führt sie also im Kern ad absurdum.

Ein schönes Beispiel, wie es gelingen kann, der Privatisierung eines Landgestüts einen Riegel vorzuschieben, ist Neustadt an der Dosse. Am 30. Juli 2001 überführte der brandenburgische Landtag das Haupt- und Landgestüt Neustadt an der Dosse  in eine Stiftung Öffentlichen Rechts, um „die stabile nachhaltige Entwicklung zu sichern, durch die Rekonstruktion und Werterhaltung der historischen Gestütsanlagen sowie die Stabilisierung vorhandener und die Schaffung neuer wirtschaftlicher, insbesondere touristischer Potentiale, im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raumes in der Ostprignitz“.

Eine Maßnahme, die möglicher Weise auch das Landgestüt Dillenburg, als letzte Bastion herzlich verantwortlicher, rechtschaffen sachverständiger Pferdezucht, vor einem total unkontrollierten Kartell privatwirtschaftlicher Pferdevermehrung in Hessen bewahren könnte. Eine weitere schöne Parallele zu Neustadt Dosse könnte dann auch in Dillenburg weiter bestehen, die pädagogische Zusammenarbeit mit einer Schule. Hier mit der benachbarten Wilhelm-von-Oranien-Schule...

In einer Welt irrer „starker Männer“ mit großen Schnauzen: Ein stiller, kleiner jeiler Traum! Das Landgestüt Dillenburg bleibt bestehen!

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Zugegeben, der folgende Gedanke irritiert mich:

Es heißt, Matrosen, die nicht schwimmen können, seien auch bei widersinnigen oder inhumanen Befehlen der Schiffsleitung weniger geneigt, zu meutern. Sie kämpften dafür um so entschlossener um ihr Schiff und gegen seinen drohenden Untergang.

Leider erfährt man nichts entsprechendes über Matrosen, die schwimmen können. Etwa weil sie garnicht erst angeheuert wurden?!

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