••BLÖÖK
02. 03. 2019


Exzerpt des Artikels:

Facebook: Sekte oder Weltverschwörung?

Süddeutsche Zeitung, 25. Februar 2019
VON ADRIAN LOBE

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Nach der Fusion der Juser-Daten von Instagram und Whatsapp mit denen seines Messengers,  wird Facebook bald die Verfügungsgewalt über die persönlichen Daten von 2,7 Milliarden Menschen haben. Mehr als ein Drittel der Menschheit gehört damit zur „Community“ der „Juuser“ dieses Konzerns unter der Führung des alleinigen Besitzers, Mark Zuckerberg. Der Austritt aus dessen „Gemeinschaft“ ist kaum noch möglich. Mit den Codes, die seine Algorithmen liefern, wird Realität bis zur Unkenntlichkeit simplifiziert, vereinfacht. Um den Besitzer Zuckerberg ist mittlerweile ein regelrechter Führerkult entstanden. Die Gefahr, die von Facebook ausgeht, ist, dass es sich um eine sektenhafte Organisationsform handelt, die ihre Mitglieder mithilfe von Algorithmen-Technik indoktriniert*).

*) Doktrin: Ein System von Aussagen und Ansichten, ein politischer Leitfaden, der unter Ausschaltung jeglicher Kritik mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit vertreten wird und der andere Ansichten als "unwahr" darstellt.

Indoktrinieren: Massive psychologische Beeinflussung im Hinblick auf die Bildung einer bestimmten Meinung oder Einstellung.


Das digitale Pastorat:
Der Gemeindepfarrer Zuckerberg
mit Beichtstuhl und Kanzel
in jeder Wohnung?!

Facebook hat nach eigenen Angaben 2,3 Milliarden Nutzer. Wenn der Konzern die Daten seiner „Dienste“, Whatsapp, Instagram und seines Messengers, mit seinen eigenen verknüpft, sogar 2,7 Milliarden. Eine einzige Firma, ein einziger Mensch?!, kontrolliert dann das Kommunikationsverhalten von mehr als einem Drittel der Menschheit. Berücksichtigt man, dass knapp die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zum Internet hat, dann erscheint die kommunikative Macht, die Facebook auf über zwei Drittel aller Menschen mit Internetzugang ausübt, noch viel größer, noch viel bedrohlicher.

Was versteht der Facebook-Gründer, Mark Zuckerberg, eigentlich unter der "Community", von der er seit der Gründung seines postpubertären Netzwerks, vor fünfzehn Jahren, ununterbrochen spricht? Zu diesem Geburtstag schrieb er:
"Wenn Du vor dem Internet-Zeitalter andere Ansichten oder Interessen als die Leute in deiner Nachbarschaft hattest, war es schwieriger, eine „Community“ zu finden, die deine Interessen teilt. Jetzt kannst du dich mit jedem(?) vernetzen und deine Stimme erheben“. = Das Internet-Zeitalter, in Gestalt von Zuckerbergs Facebook, verschafft auch Menschen mit noch so seltenen oder gar abwegigen Ansichten und Interessen eine Bühne und das Gefühl von Bedeutung, nicht allein zu sein.

Mit dieser Äußerung offenbart der Chef von Fatzebook seinen flagranten Anti-Institutionalismus. Seine unverblümte Ablehnung der Regelsysteme von Behörden, Polizei, Gerichten, Universitäten und Schulen. Zum anderen sein homogenes Verständnis von „Communities“. Zur Gemeinschaft gehört nur, wer exakt dieselben Ansichten und Interessen vertritt. Damit gekoppelt ist die strikte Ablehnung von Pluralismus. Meinungs- und Interessen-Vielfalt haben in einer Zuckerbergschen Gemeinschaft keinen Platz.

Am 16. Februar 2017 veröffentlichte Zuckerberg einen Brief, der an „Unsere Gemeinschaft“ adressiert und mit dem Titel "Building Global Community" (Lasst uns eine weltweite Gemeinschaft gründen) überschrieben war. Pathetisch, wie in einem Gemeindebrief, hebt er an: "In Zeiten wie diesen ist die wichtigste Sache, die wir bei Facebook tun können, eine soziale Infrastruktur (Verhaltensregeln, -vorschriften) zu entwickeln, um den Menschen die Macht zu geben (sie zu einer Meinung zu bringen), eine globale Gemeinschaft zu bauen, die für uns alle (in meinem Sinne) funktioniert." Die globale Facebook-Community „sicher zu machen?“ (widerspruchsfrei?), sei ein "wichtiger Teil unserer Mission (Aufgabe, Auftrag – von wem?)". Zuckerberg spricht am Anfang und am Ende des 6000 Wörter umfassenden Briefes von einer "Reise, die Welt zu vernetzen". Von Stämmen zu Städten zu Nationen - so geht der historische Materialismus à la Zuckerberg - sei nun das Zeitalter der "globalen Community" angebrochen. Der Facebook-Chef wirkt wie ein Oberhirte, wenn er die Vision, die Welt zu vernetzen, mit heilsgeschichtlicher Bedeutung auflädt.

Zuckerbergs Reden haben einen schwafelhaften Predigerton an sich.

Dieser Gospelsound, der eine Mischung aus technologischem Machbarkeitsfuror (-raserei, -besessenheit) und gegenkultureller Weltverbesserung ist, zieht sich wie ein roter Faden durch Zuckerbergs Rhetorik. Etwa im Brief an seine Tochter Max(ima = die Nicht-zu-übertreffende! Na, was sonst?!) oder in einer Rede, die der spätere Studienabbrecher 2017 vor Absolventen der Harvard-Universität hielt, der Hochschule, an der er den Programmcode des Facebook-Vorgängers Facemash, eines Bewertungsportals für weibliche Kommilitonen, geschrieben hatte. In der betulichen Ansprache, die man im Internet nachlesen kann, referierte er, in dem für ihn typischen, sermonhaften Predigerton über „Kommjuunities“, diesmal im Plural:
„Ob Kirchen, Sportvereine oder Nachbarschaftsgruppen, solche Communities geben die Kraft, den Horizont zu erweitern und sich um größere Themen zu kümmern.“ ...
„Menschen, die zur Kirche gehen, machen eher Freiwilligendienst, spenden an wohltätige Organisationen.“ ...
„Jede große Community hat große Führer. Jeder von uns kann Führer sein. Wenn genügend von uns daran arbeiten, die Community zu bauen(?) und die Menschen einander näher zu bringen (zu einer einheitlichen Meinung?), können wir die Welt verändern.“ (in welche Richtung?) ...

So klingt Zuckerberg wie ein Sektenführer, der seine Jünger auf eine Welt-Veränderungs-Mission einschwört. Um ihn selbst wurde ein regelrechter kindischer Führerkult gesponnen. Simple Zeichen im Futter von Fatzebook-Firmen-Pullies werden zum Beispiel zu Weltverschwörungs-Symbolen hochstilisiert.

Der ehemalige Facebook-Mitarbeiter Antonio García Martínez hat Zuckerberg in eine Reihe mit Scientology-Gründer Ron Hubbard gestellt und seinen missionarischen Eifer als "messianische (Heilsbringer-) Vision" bezeichnet. "Indem er diese Vision seinen Schülern oktroyiert (aufgezwungen) hat, hat Zuckerberg die Kirche einer neuen Religion gegründet", schrieb Martínez in einem Gastbeitrag für das Magazin Vanity Fair. Facebook als Glaubensgemeinschaft.

Die Gefahr, die von Facebook ausgeht, ist nicht, dass mit der Fusion der Messengerdienste ein Monopol entsteht, sondern eine sektenhafte Organisationsform, deren Mitglieder mithilfe von Algorithmen-Technik indoktriniert werden. Dass in Codes bestimmte Wahrheitsansprüche formuliert werden, macht eine Organisation zwar noch nicht zur Sekte. Dass mit diesen Codes aber ein Exklusivitäts- und Absolutheitsanspruch ("our community") abgestützt und Realität bis zur Unkenntlichkeit simplifiziert (was wird wie vereinfacht?) wird, hat durchaus Sektencharakter. Ein Austritt aus dieser Gemeinschaft ist außerdem ohne größere soziale Kosten kaum noch möglich.

Ist die Demokratie auch eine "Community" und wenn ja - ist sie mit Facebook kompatibel?

Man kann die manipulativen Psycho- und Sozialtechniken der Verhaltensführung als eine Form der Pastoralmacht sehen, als algorithmische "Regierung der Seelen" (durch Priester, Pfarrer, Pastoren). Facebook ist eine einzige Verblendungsmaschine: Bei jedem Login teilt einem das System mit, wie toll man ist, dass man im Mittelpunkt steht, welche großartige Geschichte man schreibt. Facebook hat ein automatisiertes Frühwarnsystem für Suizidgefährdete installiert, das mithilfe künstlicher Intelligenz depressive Nutzer erkennen und sie vom Selbstmord abhalten soll(!). Das digitale Pastorat lässt seine Schäflein nie allein.

Die Ideologisierung künstlicher Intelligenz und ihre Überhöhung als Formel für die Lösung aller Probleme – die Programmierer glauben an die inwendige Kraft der Codes – ist Ausdruck eines Techno-Fundamentalismus, der anschlussfähig an totalitäre Strömungen ist (gefällt Anhängern diktatorischer Strukturen).

Zuckerbergs neoschmittianische Rhetorik(?) - jede große Community habe einen großen Führer - ist auch deshalb so gefährlich, weil sich dahinter ein autoritärer Machtanspruch verbirgt. Der Internetpionier Jaron Lanier hat einmal geschrieben, das Silicon Valley habe "die freundlichste und gutmütigste Diktatoren-Klasse in der Geschichte der Menschheit". "Facebook wird von 1,4 (heute mehr als zwei, fast drei) Milliarden Menschen genutzt, aber von einer einzigen Person kontrolliert. Es ist eine extrem außergewöhnliche Konzentration von Macht.

Die Frage ist nicht nur, wie liberal die Facebook-Community nach innen ist, sondern wie tolerant sie gegenüber anderen Communitys ist. Ist die Demokratie auch eine Community und wenn ja - ist sie mit Facebook kompatibel? (funktionieren beide miteinander oder nur entweder, oder?). In den Anhörungen vor dem Kongress nannte Zuckerberg die Geheimdienste eine "intelligence community" (Zusammenschluss von Spionage Diensten), von der Facebook "Input" erhalte (Befehle, Forderungen, Anfragen?!). Auf der anderen Seite liefert auch Facebook jede Menge Input (Daten, Auskunft). Laut dem Transparenzbericht erhielt der Konzern 2018 im ersten Halbjahr 103 815 Anfragen von Behörden. In 76 823 Anfragen, also 74 Prozent wurden die Nutzerdaten offengelegt. Der Konzern geht sogar proaktiv (ohne Anfrage, von sich aus) auf die Behörden zu.

Auf der Internetseite heißt es:

"Facebook kann freiwillig Informationen gegenüber Strafverfolgungsbehörden offenlegen, wenn wir 'in gutem Glauben(?)' davon ausgehen, dass von einem Sachverhalt unmittelbare Gefahr für Leib und Leben ausgeht."

Ob sich der Konzern bei der Auslegung des "guten Glaubens" an den Rechtsbegriff oder an seine eigenen Glaubenssätze hält, ist unklar.

Fakt ist: Die "Community" des militärisch-industriellen Komplexes ist größer, als man denkt.

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